Baufällige Gebäude ersetzt - Wohnen neu gedacht
In der bayerischen Kleinstadt Selb mit knapp 14.000 Einwohnern, rund eine halbe Autostunde südöstlich von Hof, befanden sich auf einem innerstädtischen Grundstück mehrere baufällige Gebäude. Um das Grundstück zu entwickeln, erwarb es die kommunale Wohnungsbaugesellschaft SelbWERK GmbH. Im Rahmen des von der Bayrischen Obersten Baubehörde ausgelobten Modellvorhabens „IQ innerstädtische Wohnquartiere“ wurde im Jahr 2010 ein Realisierungswettbewerb durchgeführt, dessen Siegerentwurf für die Umsetzung ausgewählt wurde.
Auf dem Baugrundstück befanden sich zwei Wohngebäude und mehrere Nebengebäude, die in der Mehrzahl bereits für den Abriss vorgesehen waren. Eines der Wohngebäude hätte laut der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs auch als Bestand in das Konzept integriert werden können. Dies erwies sich jedoch als unwirtschaftlich, da zum einen die Bausubstanz in einem schlechten Zustand war und zum anderen die Grundrisse nur mit hohem Aufwand hätten umgestaltet werden können.
Inmitten von Selb entstand ein Neubau-Ensemble mit drei Mehrfamilienhäusern. Insgesamt 26 Wohneinheiten wurden geschaffen. In der tendenziell schrumpfenden Kleinstadt wurde bei dem Projekt der Fokus auf familienfreundliches Wohnen gesetzt, um den Zuzug junger Familien in die Innenstadt zu fördern. Durch eine umfassende Barrierefreiheit wurde gleichzeitig auch den Ansprüchen einer alternden Bevölkerung Rechnung getragen.
Als Teil des Modellvorhabens „IQ“ waren mit der Bebauung des Grundstücks mehrere Vorgaben verbunden. So wurde die Barrierefreiheit als wichtiger Bestandteil der Planungen angesehen, ebenso eine generationengerechte Gestaltung der Außenflächen, gemeinschaftlich nutzbare Bereiche, familiengerechte Wohnungen und ein Energieeffizienzhaus-Standard KfW 70. Zudem sollten die Baukosten keine höheren als die lokalen durchschnittlichen Mieten verursachen.
Ausschlaggebend für die Auswahl des Siegerentwurfs war vor allem die gute Eingliederung der Baukörper in die Umgebung und die effiziente Grundrissorganisation. Zudem wurden trotz der Verdichtung Freiräume geschaffen. Zwischen den Neubauten entstand eine halböffentliche, teilweise überdachte Freifläche mit verschiedenen Spielzonen. Positiv wurde auch der Umgang mit dem südlich auf dem Grundstück verlaufenden Erkersreuther Bächlein bewertet, dessen ehemals verrohrter Bachlauf renaturiert wurde. Zwar konnte eine naturnahe Gestaltung mit direktem Zugang aufgrund der vorhandenen engen räumlichen Situation nicht umgesetzt werden, aber ein transparentes Geländer mit Sitzgelegenheiten davor ermöglicht den Blick den Bachlauf. Die Öffentlichkeit wurde mit einer Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse über die Planungen informiert. Die Anlieger wurden bezüglich der Freiflächengestaltung und der Abgrenzung zu ihren Grundstücken in die Planungen miteinbezogen. Die Neubebauung wurde von den Anliegern begrüßt, da mit der Beseitigung des baufälligen Altbestandes eine Aufwertung für das gesamte Areal erfolgte.
Gemäß den Vorgaben des Modellvorhabens „IQ – Innerstädtische Wohnquartiere“ war das Ziel, die Gebäude kostengünstig und energieeffizient zu optimieren. Die Außenwände wurden in monolithischer Bauweise mit hochwärmegedämmtem Ziegelmauerwerk errichtet. Die Wärmeversorgung erfolgt über eine Holzhackschnitzelheizung.
Das Projekt ist ein Vorbild für eine aktive Boden- und Wohnungspolitik im ländlichen Raum. Mit dem Erwerb eines mit baufälligen Gebäuden besetzten Grundstücks konnte die städtische Wohnungsbaugesellschaft SelbWERK GmbH die Wohnattraktivität in der Innenstadt für Familien und auch Senioren steigern. Die Durchführung eines Architektenwettbewerbs sicherte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Grundstück aus verschiedenen Blickwinkeln und damit letztendlich eine hohe Qualität des realisierten Entwurfs zu bezahlbaren Preisen. Mit der Schaffung von Freiräumen und der Öffnung des Bachlaufes konnten zudem neue Orte des Verweilens für die anliegenden Bewohnerinnen und Bewohner geschaffen werden.